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Modell eines menschlichen Gehirns als anatomisches Lehrmittel

KG ZNS: Bedeutung und Behandlung einfach erklärt

02. September 2025

Wenn nach einem Schlaganfall, bei Multipler Sklerose oder einer Rückenmarksverletzung Bewegungsstörungen oder Lähmungen auftreten, kann die neurologische Krankengymnastik (KG-ZNS) helfen. Doch was verbirgt sich hinter dieser Abkürzung? Wer darf KG-ZNS behandeln, und wie lange dauert die Therapie?

In diesem Artikel erklären wir Ihnen verständlich, was KG-ZNS bedeutet, für wen sie geeignet ist und wie sie Ihnen oder Ihren Angehörigen helfen kann.

Was bedeutet KG-ZNS?

KG-ZNS steht für “Krankengymnastik bei Erkrankungen des Zentralen Nervensystems”. Die KG-ZNS ist eine spezielle Form der Physiotherapie, die sich auf die Behandlung von Patient:innen mit neurologischen Erkrankungen oder Schädigungen konzentriert. Dazu zählen unter anderem:

  • Schlaganfall
  • Multiple Sklerose (MS)
  • Parkinson
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • Rückenmarksverletzungen
  • Hirntumore oder Hirnblutungen
  • Angeborene neurologische Störungen (z. B. bei Kindern)

Das Ziel der KG-ZNS ist es, gestörte Bewegungsmuster neu zu erlernen, die Koordination und das Gleichgewicht zu verbessern und die Selbstständigkeit im Alltag zurückzugewinnen. Die Therapie orientiert sich an individuellen Bedürfnissen und nutzt spezielle Konzepte wie Bobath, Vojta oder PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation). Das Ziel hierbei ist eine langfristige Verbesserung: KG-ZNS hilft nicht nur akut, sondern stärkt Ihre Lebensqualität auf Dauer.

KG-ZNS vs. klassische Krankengymnastik (KG): Wo liegt der Unterschied?

Krankengymnastik generell wird bei allen möglichen Beschwerden zur Mobilisation, Kräftigung und Schmerzlinderung eingesetzt. Oft sind das orthopädische oder chirurgische Beschwerden. KG-ZNS ist immer dann gefragt, wenn das zentrale Nervensystem betroffen ist und spezielle neurologische Therapieansätze benötigt werden.

Tabelle zum Vergleich: 

KG-ZNSKlassische KG
Patienten mit neurologischen Erkrankungen (z. B. nach Schlaganfall, MS, Parkinson)Patienten mit orthopädischen oder chirurgischen Beschwerden (z. B. nach Operationen, bei Rückenschmerzen)
Schulung von Haltungs- und Bewegungsmustern, Verbesserung der Nerven-Muskel-KommunikationKräftigung, Mobilisation, Schmerzlinderung
Bobath, Vojta, PNFManuelle Therapie, Gerätetraining, Lymphdrainage
Wiedererlangung von Alltagsfähigkeiten, Kompensation von LähmungenWiederherstellung der Beweglichkeit, Schmerzreduktion


Für wen ist KG-ZNS geeignet?

Bewegungsstörungen durch neurologische Ursachen

KG-ZNS richtet sich an Erwachsene und Kinder mit neurologischen Einschränkungen. Besonders profitieren Patient:innen, die:

  • Nach einem Schlaganfall oder Unfall neu laufen oder greifen lernen müssen.
  • Unter Gleichgewichtsstörungen oder Spastiken leiden.
  • Ihre Alltagsfähigkeiten (z. B. Anziehen, Essen) verbessern möchten.

Die KG-ZNS beeinflusst Störungen der Selbstwahrnehmung, Probleme mit der Haltung und dem Gleichgewicht, sowie erhöhte oder erniedrigte Muskelspannung (Hypertonus / Hypotonus oder Spastik / Parese genannt). 

Betroffene von Erkrankungen des zentralen Nervensystems

Typische neurologische Erkrankungen, bei denen Patient:innen von KG-ZNS profitieren können, sind zum Beispiel: 

  • Multiple Sklerose
  • Parkinson
  • Schlaganfall
  • Ataxie
  • ICP 
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • Rückenmarksverletzungen
  • Hirntumore oder Hirnblutungen
  • Angeborene neurologische Störungen

Wer darf KG-ZNS behandeln?

KG-ZNS darf ausschließlich von speziell ausgebildeten Physiotherapeut:innen durchgeführt werden. Diese haben eine Zusatzqualifikation in neurologischer Krankengymnastik und sind in den oben genannten Therapiekonzepten (Bobath, Vojta, PNF) geschult. Die Behandlung erfolgt auf ärztliche Verordnung (Rezept) und wird von den Krankenkassen übernommen.

In unserer Physiotherapiepraxis bieten wir die Krankengymnastik für das ZNS nach dem Bobath-Konzept und nach dem PNF-Konzept an. 

Behandlungsdauer: Wie lange dauert KG-ZNS?

Die Dauer einer KG-ZNS-Behandlung hängt von der Verordnung des Arztes und dem individuellen Therapieplan ab. In der Regel umfasst eine Einheit 25–30 Minuten (Einzelbehandlung).

Die Gesamtzahl der Einheiten wird vom Arzt oder der Ärztin festgelegt und orientiert sich an der Schwere der Erkrankung und der individuellen Situation. Typisch sind zunächst 6–10 Einheiten, die bei Bedarf verlängert werden können. Wichtig ist, dass die Therapie regelmäßig und konsequent durchgeführt wird, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Nach einem Schlaganfall sind oft mehrere Wochen oder Monate KG-ZNS nötig, um Fortschritte zu erzielen. Bei chronischen Erkrankungen wie MS kann KG-ZNS auch langfristig begleitend eingesetzt werden.

Ablauf einer KG-ZNS-Behandlung

1 Befundung

Bevor die eigentliche Therapie beginnt, führen wir ein ausführliches Erstgespräch mit Ihnen. Dabei geht es um Ihre Krankengeschichte, Ihre aktuellen Beschwerden, und Ihre Ziele. Wichtige Fragen, die wir gemeinsam besprechen, sind zum Beispiel: 

  • Welche Diagnosen liegen vor? (z. B. Schlaganfall, Multiple Sklerose, Parkinson)
  • Wo haben Sie die größten Schwierigkeiten im Alltag? (z. B. Lähmungen, Gleichgewichtsprobleme, Schmerzen)
  • Was möchten Sie konkret erreichen? (z. B. selbstständig gehen, Treppen steigen, Alltagsaktivitäten meistern)

Anschließend untersuchen wir Ihre Körperfunktionen im Detail, um eine informierte Grundlage für Ihren individuellen Therapieplan zu schaffen. Jeder Patient und jede Patientin hat andere Bedürfnisse und Voraussetzungen. Deshalb gibt es keine "Standard-Therapie", sondern ein maßgeschneidertes Programm.

Wir evaluieren dazu unter anderem: 

  • Beweglichkeit (Arme, Beine, Rumpf)
  • Kraft und Koordination bei gezielten Bewegungen 
  • Gleichgewicht
  • Sensibilität (Berührungen oder Temperaturunterschiede spüren)
  • Alltagsfähigkeiten (z.B. anziehen, essen, aufstehen)
Person hält einen Löffel in der Hand
Foto von Siddharth Govindan auf Unsplash

2 Individuelle Zielsetzung

Nach der Befundung definieren wir gemeinsam mit Ihnen, welche Ziele in der KG-ZNS erreicht werden sollen. Die Ziele sind immer konkret, realistisch, relevant und messbar formuliert, um für den Therapiefortschritt wirklich hilfreich zu sein.

Dazu ist jedes Ziel:  

  • Spezifisch (z. B. "Ich möchte wieder allein aufstehen können")
  • Messbar (z. B. "Ich möchte 10 Schritte ohne Gehhilfe gehen")
  • Attraktiv (für Sie persönlich wichtig)
  • Realistisch (erreichbar in einem bestimmten Zeitraum)
  • Terminiert (z. B. "innerhalb von 6 Wochen")

3 Therapie

Jetzt beginnt der praktische Teil! Die Dauer der Therapietermine ist normalerweise festgelegt. Während des Termins führen Sie unter Anleitung Ihres Therapeuten/Ihrer Therapeutin gezielte Bewegungen durch, zum Beispiel: 

  • Gleichgewichtstraining: Stehen auf instabilen Unterlagen (z. B. Weichbodenmatte, Balance-Pad)
  • Gangschulung: Gehen mit oder ohne Hilfsmittel (z. B. Rollator, Stock)
  • Feinmotorik-Übungen: Greifen von Gegenständen, Schreiben, Knöpfe schließen
  • Kraftübungen: gezieltes Training geschwächter Muskelgruppen

Wir unterstützen Sie dabei durch manuelle Führung, Dehnung und Fazilitation (= Anregung des Nervensystems durch gezielte Reize). Das bedeutet, dass wir Ihnen helfen, die Bewegungen korrekt auszuführen.

Durch das Training normaler Bewegungsmuster wird die Nerven-Muskel-Zusammenarbeit gefördert. Durch die Wiederholung der Bewegungen erlernt das Gehirn die Bewegungsabläufe langsam wieder und strukturiert sich mit neuen Nervenverknüpfungen so, dass die Steuerung wieder mit gesunden Hirnanteilen funktioniert.

In Folgeterminen werden Fortschritte sowie Herausforderungen besprochen und evaluiert und Ihr Therapiekonzept bei Bedarf dynamisch angepasst. 

4 Eigenübungen: Bobath als 24-Stunden-Konzept

Ein zentraler Bestandteil der KG-ZNS ist, dass Sie selbst aktiv werden. Sie erhalten ein individuelles Übungsprogramm für zu Hause. Jede Durchführung der Alltagsbewegung hilft! Durch die selbständige Wiederholung gewinnen Sie mehr und mehr Sicherheit und Selbständigkeit im Alltag. Einige Patient:innen führen ein Therapietagebuch, um Fortschritte festzuhalten und Fragen für die nächste Sitzung zu notieren.

Die Übungen können aus Alltagsaufgaben, Dehnübungen, Gleichgewichtsübungen oder auch Atemübungen bestehen.

Auch Angehörige können in die Therapie einbezogen werden, um die Übungen zu Hause zu unterstützen.

FAQs

Was bedeutet KG-ZNS PNF?

PNF steht für Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation. Es ist ein spezifisches Behandlungskonzept innerhalb der KG-ZNS, das sich auf die Aktivierung und Schulung der eigenen Körperwahrnehmung (Propriozeption) und der neuromuskulären Zusammenhänge konzentriert. 

Was ist das Bobath-Konzept?

“Das Bobath-Konzept ist ein bewährtes, weltweit verbreitetes bewegungstherapeutisches Behandlungskonzept für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen aufgrund neurologischer Funktionsstörungen.” (https://www.bobath-konzept-deutschland.de/).

Wie oft pro Woche findet KG-ZNS statt?

Die Häufigkeit hängt von der Verordnung ab. Typisch sind 1–3 Einheiten pro Woche, meist als Einzeltherapie (25–30 Minuten). Bei akuten neurologischen Erkrankungen (z. B. nach einem Schlaganfall) sind häufigere Termine möglich.

Ist KG-ZNS schmerzhaft?

Nein, KG-ZNS sollte nicht wehtun. Das Ziel ist es, Bewegungen zu erleichtern und Schmerzen zu lindern. Falls Übungen unangenehm sind, können und sollten sie entsprechend angepasst werden. Bei Spastiken oder Verspannungen können gezielte Techniken (z. B. Dehnungen) kurzzeitig ein "Ziehen" auslösen – das ist normal und klingt schnell ab.

Was ist der Unterschied zwischen KG-ZNS und Ergotherapie?

KG-ZNS konzentriert sich auf Bewegung, Gleichgewicht und Koordination (z. B. Gehen, Stehen). Ergotherapie trainiert Alltagsfähigkeiten (z. B. Anziehen, Essen, Schreiben). Beide Therapien ergänzen sich oft.

Darf ich während der KG-ZNS auch andere Therapien machen?

Ja, KG-ZNS lässt sich gut mit Ergotherapie, Logopädie oder Sporttherapie kombinieren. Sagen Sie uns dazu Bescheid und wir können Ihre Behandlung mit anderen Behandler:innen optimal abstimmen. 

Kann KG-ZNS auch präventiv eingesetzt werden?

Ja! Bei neurologischen Erkrankungen wie MS oder Parkinson hilft KG-ZNS, Beweglichkeit und Selbstständigkeit langfristig zu erhalten, auch wenn noch keine akuten Beschwerden bestehen.

Wann sollte man mit KG-ZNS beginnen?

Je früher, desto besser! Besonders nach einem Schlaganfall, Unfall oder einer OP ist ein schneller Start wichtig, um Folgeschäden zu minimieren. Bei chronischen Erkrankungen (z. B. MS) ist ein frühzeitiges Training sinnvoll, um den Verlauf positiv zu beeinflussen.

Was tun, wenn die KG-ZNS-Verordnung ausläuft, ich aber weiter Therapie brauche?

Sprechen Sie Ihren Arzt bzw. Ihre Ärztin an. Er/sie kann eine Folgeverordnung ausstellen. Bei langfristigem Bedarf (z. B. bei MS) sind Dauerverordnungen möglich.

KG-ZNS in Ihrer Physiotherapie-Praxis Gruler & Schumacher

In unserer Praxis bieten wir individuelle KG-ZNS-Behandlungen nach dem Bobath-Konzept und nach PNF an unter Berücksichtigung der momentanen Evidenzen aus der Neurorehabilitation. Sie haben Fragen oder möchten einen Termin vereinbaren?
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